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besondere Kündigungsschutz


Der besondere Kündigungsschutz nach dem SGB IX
1. Bedeutet die Einführung der Fiktion (fiktive Zustimmung des Integrationsamtes durch Fristablauf) gemäß § 88 Abs. 5 SGB IX sowie Wegfall der Stellungnahme der Agentur für Arbeit gemäß § 87 Abs. 2 SGB IX eine Aufweichung des Kündigungsschutzes?
Gemäß § 88 Abs. 5 SGB IX muss das Integrationsamt bei Anträgen zu Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden und wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Gehalt gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen, die Entscheidung über den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung innerhalb eines Monats treffen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustimmung als erteilt (Zustimmungsfiktion).
Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen über das Vermögen des Arbeitgebers Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und die Nr.1 bis 4 des § 89 Abs. 3 SGB IX zutrifft.
Die Regelung des § 88 Abs. 5 SGB IX bezweckt größere Rechtssicherheit in den Fällen, in denen das Ermessen der Integrationsämter eingeschränkt ist. Sie trägt auch dem berechtigten Interesse der Arbeitgeber an der Beschleunigung des Kündigungsschutzverfahrens Rechnung.
Da die Zustimmungsfiktion lediglich für den beschränkten Bereich der oben genannten Fälle gilt, ist eine Ausweichung des Kündigungsschutzes nicht zu befürchten. Darüber hinaus ist die fingierte Zustimmung, d. h. die Zustimmung die durch Zeitablauf entsteht, mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifbar.
Eine weitere Änderung hat § 87 Abs. 2 SGB IX erfahren. Anders als in der Vergangenheit ist das Integrationsamt bei der Entscheidung über einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung nicht mehr verpflichtet, eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit einzuholen. Durch die Streichung dieser Pflicht wurde ebenfalls Beschleunigung des Kündigungsschutzverfahrens beabsichtigt.
Im Hinblick darauf, dass die Agenturen für Arbeit in der Vergangenheit nur formularmäßig und nicht in Bezug auf den jeweiligen Fall Stellung genommen haben, hat diese Gesetzesänderung inhaltlich keine praktische Auswirkung auf den Kündigungsschutz. Lediglich der Ablauf des Verfahrens wird beschleunigt.
2. Darstellung des Eintritt des Kündigungsschutzes nach altem und neuen Recht
a) Kündigungsschutz nach bisheriger Rechtslage (bis zum 30.04.2004):
Der besondere Kündigungsschutz galt bis zur Änderung des SGB IX für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen, wenn:


  • Schwerbehinderteneigenschaft offenkundig war oder<?xml:namespace prefix = o /><o:p></o:p>

  • vor Ausspruch der Kündigung Gleichstellungsantrag bei oder ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beim Versorgungsamt gestellt wurde. Nicht erforderlich war hingegen, dass über den Antrag bereits entschieden worden war.<o:p></o:p>

b) Kündigungsschutzes nach neuer Rechtslage
Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen findet seit dem 01.05.2004 aufgrund der Einschränkungen durch § 90 Abs. 2 a SGB IX nur dann Anwendung, wenn:

  • Schwerbehinderteneigenschaft offenkundig oder nachgewiesen ist oder<o:p></o:p>

  • das Versorgungsamt in den Fristen des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX keine Feststellung getroffen hat, und dies nicht an der fehlenden Mitwirkung des Antragsstellers liegt. <o:p></o:p>

Die Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX beträgt gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 und 4 sowie Abs. 5 Satz 2 und 5 SGB IX:

  • max. 3 Wochen nach Antragseingang, falls für die Feststellung kein Gutachten erforderlich ist,<o:p></o:p>

  • max. 7 Wochen nach Antragseingang, falls für die Feststellung ein Gutachten eingeholt werden muss ( 3 Wochen für die Entscheidung, ob ein Gutachten erforderlich, 2 Wochen für die Gutachtenerstellung, 2 Wochen für die Entscheidung nach Vorliegen des Gutachtens).<o:p></o:p>

Die Auswirkungen der Regelung des § 90 Abs. 2 a SGB IX in einzelnen Fällen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

Fallgruppen:<o:p></o:p>

Kündigungsschutz<o:p></o:p>

Quelle /Begründung<o:p></o:p>

Gültiger Feststellungsbescheid mit GdB von mindestens 50 des Versorgungsamtes liegt vor.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 1. Alt.<o:p></o:p>

Gleichstellungsbescheid der Agentur für Arbeit liegt vor.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 1. Alt.<o:p></o:p>

Schwerbehinderung ist offensichtlich.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 1. Alt.<o:p></o:p>

Zeitlich befristeter Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes liegt vor - ist aber nicht mehr gültig. Kein neuer Antrag gestellt.<o:p></o:p>

besteht nicht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 1. Alt.<o:p></o:p>

Unbefristeter oder gültiger Feststellungs- bescheid liegt vor, der Ausweis ist jedoch abgelaufen und (noch) nicht verlängert worden.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 1. Alt. - es kommt allein auf den Bescheid an!<o:p></o:p>

Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung gestellt - Bescheid liegt noch nicht vor - Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 noch nicht erreicht.<o:p></o:p>

besteht nicht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 2. Alt. liegt nicht vor<o:p></o:p>

Antrag auf Feststellung einer Gleichstellung gestellt - Bescheid liegt noch nicht vor.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) <o:p></o:p>

Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung gestellt - Bescheid liegt noch nicht vor - Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 erreicht - keine fehlende Mitwirkung.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 2. Alt. <o:p></o:p>

Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung gestellt - Bescheid liegt noch nicht vor - Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 erreicht - fehlende Mitwirkung vom Versorgungsamt bestätigt.<o:p></o:p>

besteht nicht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 2. Alt. <o:p></o:p>

Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung gestellt - ablehnender Bescheid liegt vor - Widerspruch bzw. Klage anhängig<o:p></o:p>

besteht nicht<o:p></o:p>

BIH: Keine Alternative des § 90 Abs. 2a erfüllt, da Schwerbehinderung nicht nachgewiesen und Entscheidung getroffen.<o:p></o:p>

GdB von mindestens 50 festgestellt. Änderungsantrag gestellt. Entscheidung liegt noch nicht vor.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 1. Alt.<o:p></o:p>

GdB von mindestens 50 festgestellt. Widerspruch oder Klage erhoben mit dem Ziel, höheren GdB zu erreichen, über den/die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 1. Alt.<o:p></o:p>

Antrag auf Gleichstellung gestellt - ablehnender Bescheid liegt vor - Widerspruch bzw. Klage anhängig.<o:p></o:p>

besteht nicht<o:p></o:p>

BIH<o:p></o:p>

GdB von 30 oder 40 festgestellt. Änderungsantrag gestellt. Bescheid liegt noch nicht vor - Frist des § 69 Abs. 2 noch nicht erreicht.<o:p></o:p>

besteht nicht<o:p></o:p>

§ 90 Abs. 2a 2. Alt. liegt nicht vor<o:p></o:p>

GdB von 30 oder 40 festgestellt. Änderungsantrag gestellt. Bescheid liegt noch nicht vor - Frist des § 69 Abs. 2 erreicht - keine fehlende Mitwirkung.<o:p></o:p>

besteht<o:p></o:p>

Wie neuer Antrag zu behandeln.<o:p></o:p>

GdB von 30 oder 40 festgestellt. Änderungsantrag gestellt. Bescheid liegt noch nicht vor - Frist des § 69 Abs. 2 erreicht - fehlende Mitwirkung.<o:p></o:p>

besteht nicht<o:p></o:p>

Wie neuer Antrag zu behandeln.<o:p></o:p>


3. Muss der Arbeitgeber sich künftig, bevor er kündigt, immer erst beim Versorgungsamt erkundigen, ob a) die Frist des § 14 abgelaufen ist und b)wenn ja, weshalb noch keine Entscheidung seitens des Versorgungsamt getroffen werden konnte, der Antragsteller vielleicht nicht mitgewirkt hat und c) beides dem Integrationsamt angeben, wenn er eine Zustimmung zur Kündigung einholen muss?
Die im Zusammenhang mit der neuen Rechtslage hinsichtlich des besonderen Kündigungsschutzes bestehenden Fragen des Fristablaufs und der Mitwirkung des Betroffenen, sind noch nicht „bundeseinheitlich" geklärt worden. Bis zu einer Klärung wurde zur Sicherstellung einer einheitlichen Verfahrensweise eine Zusammenarbeit zwischen den Versorgungsämtern und den Integrationsämtern sowie Fürsorgenstellen vereinbart. Danach ersuchen die Integrationsämter und gelegentlich auch die Fürsorgestellen die zuständigen Versorgungsämter um Auskunft hinsichtlich des Verfahrensstands.
Dabei ist die Beantwortung folgender Fragen durch das Versorgungsamt von Bedeutung:

  • Wann ist ein vollständiger Antrag beim Versorgungsamt eingegangen?<o:p></o:p>

  • Ist ein Gutachter zur Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden?<o:p></o:p>

  • Wenn nein, ist ein Gutachten erforderlich?<o:p></o:p>

  • Hat der Antragssteller seine Mitwirkungspflicht erfüllt?<o:p></o:p>

Ob die Vorschrift des § 90 Abs. 2a nicht nur den Integrationsämtern oder Fürsorgestellen, sondern auch den Arbeitgebern einen Anspruch einräumt, eine Auskunft über den Verfahrensstand zu erhalten, ist zur Zeit ebenfalls nicht geklärt.
Es ist jedoch zweifelhaft, ob die nach § 67 d SGB X erforderliche ausdrückliche gesetzliche Übermittlungsbefugnis aus § 90 SGB IX hergeleitet werden kann. Es ist daher zunächst vertretbar, den Informationsfluss ausschließlich über die Integrationsämter und Fürsorgestellen abzuwickeln.